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Griffig, eisig gibt’s nicht

Die beiden Pistenchefs von Streif und Ganslernhang, Herbert Hauser und Stefan Lindner, über den perfekten Aufbau einer Rennpiste, Wetterkapriolen und jenen Teamgeist, der in Kitzbühel am Ende fast alles möglich macht.

„Für Laien ist das, was wir für die Rennen brauchen, ein einziger Eislaufplatz“, meint Stefan Lindner. Dabei gibt es die Zuschreibung „eisig“ im Zusammenhang mit Weltcup-Pisten eigentlich nicht – „griffig“ nennt sich das. Je härter die Pisten, desto berechenbarer werden sie für die Läufer. „Würde der Ski in Bereichen wie der Ausfahrt Steilhang im weichen Schnee einsinken, wäre das absolut fatal“, sagt Herbert Hauser. Auf der Streif, wo Geschwindigkeiten gefahren werden, bei denen die Kanten so heiß werden, das die Skier ausbrennen können, hat niemand Lust auf derartige Überraschungen.

Eiszeit
Hausers und Lindners Aufgabe ist es, die Rennpisten so zu präparieren, dass sie möglichst sicher sind und faire Bedingungen für alle Läufer bieten. Keine Arbeit von ein paar Tagen – die Vorbereitungen beginnen zum Teil schon im Herbst. So wurde die Streif im Bereich nach der Hausbergkante mit Netzen und mobiler Holzverbauung versehen, um die winterliche Verbindung zwischen Wiese und Schnee zu stärken. Im schlimmsten Fall könnte der Hang sonst als Lawine abrutschen.

Auch die Schneeaggregate werden so früh wie möglich positioniert. Wenn es die Witterung erlaubt, ist die Grundpräparation bis Weihnachten abgeschlossen. Denn wie anderswo auch ist das Fundament hier ganz entscheidend. Es wird beschneit, maschineller Schnee und Naturschnee immer wieder mit Wasser versetzt und mit schwerem Gerät durchgearbeitet, 

Stefan Lindner, Pistenchef Ganslernhang

„Wenn es brenzlig wird, helfen
wir hier alle zusammen.“

um den Aufbau der Schichten kompakter zu machen. Naturschnee hat ein Gewicht von 200 bis 300 Kilo pro Kubikmeter. Am Ende benötigt die Rennpiste bei den Speed-Rennen rund 500 Kilo, beim Slalom sind es solide 700 Kilo, damit auf der schmalen Ideallinie – der Druckpunkt liegt immer ganz bei der Stange – auch die Läufer mit den hohen Startnummern im ersten Durchgang noch Chancen haben, unter die besten Dreißig zu fahren.

Vor allem die unterste Pistenschicht muss perfekt hart sein, Volleis im Idealfall. Obenauf folgt dann eben jene „griffige“ Piste, die den intensiven Belastungen während der Trainings und Rennen standhält. Mitentscheidender Faktor ist dabei naturgemäß das Wetter. Kristallklare, kalte Nächte helfen enorm, Föhn und neblige Taunächte können hingegen viel kaputt machen. „Wir müssen zu den guten Zeiten einfach alles herausholen, so überstehen wir auch schwierige Wetterphasen gut“, so Stefan Lindner.

STREIF

Start: 1.665 Meter
Ziel: 805 Meter
Streckenlänge: 3.312 Meter
durchschnittliche Neigung: 27 %
maximale Neigung: 85 %

1937 wurde erstmals auf der heutigen Streif gefahren, damals gewann der Österreicher Thaddäus Schwabl mit einer Zeit von 3:53,10 Minuten. Seitdem hat sich bei Athleten, Material und Beschaffenheit der Piste viel getan: Den Streckenrekord hält Fritz Strobl, er meisterte die Streif 1997 mehr als doppelt so schnell, in 1:51,58.

Angerichtet
Herbert Hauser sagt, der legendäre Hermann Maier habe vor gut zwei Dekaden den Trend eingeleitet, dass die Fahrer neben der Technik auch immer extremer ihre Kraft trainierten. Das, gepaart mit stetig besser werdendem Material, sorge dafür, dass die Läufer in den Kurven kaum langsamer werden. Wo es früher noch Rutschphasen gab, wird der Schwung jetzt durchgezogen, die Geschwindigkeiten steigen immer weiter. Auch im Slalom sind die Radien immer enger und runder geworden. Zehn bis zwölf Tore mehr pro Lauf sind es am Ganslernhang im Vergleich zu früher. Die austrainierten Fahrer und die Verbindung zwischen Schuh und Ski, die kaum mehr Verdrehung zulässt, erlaubt den Läufern, auch die engsten Radien ohne Rutschen zu fahren. Das alles sorgt für spektakuläre Rennen, stellt aber auch neue Herausforderungen an die Pisten in Kitzbühel. Stefan Lindner: „Der Herbert und ich brauchen ein Gespür wie gute Köche, damit Streif und Ganslern am Ende so perfekt wie möglich dastehen.“

Teamwork
Hausers Markenzeichen ist die Bohrmaschine, mit der er unermüdlich den Pistenaufbau auf der 3.312 Meter langen Strecke überprüft. Seit mehr als 25 Jahren ist der Zimmerer und Bauer auf der Streif dabei, seit 2007 als Pistenchef. Ohne ein großes, fixes Team und zahlreiche Helfer wäre der Aufwand niemals zu bewältigen. Rund 45 Leute sind in der heißen Phase in Vollzeit mit der Piste beschäftigt. Dazu kommen 35 für Zäune und andere Sicherheitsmaßnahmen, zehn fürs Sprühteam, noch einmal zehn für die Stangen und natürlich die Fahrer der Pistenbullys der Bergbahn. Vierzig Helfer stehen zusätzlich auf Abruf, um bei großen Neuschneemengen einzuspringen, fünfzig Skilehrer bilden das Rutschkommando, in der Rennwoche außerdem achtzig Bundesheersoldaten, die auf der Streif zur Verfügung stehen. „Wenn es brenzlig wird, helfen wir hier alle zusammen“, meint Lindner, seines Zeichens Landwirt samt Milchwirtschaft. Sein Team am Ganslern ist deutlich kleiner, die Ressourcen werden außerdem zwischen den Disziplinen aufgeteilt. So übersiedelt beispielsweise das Stangenteam auf den Ganslernhang, sobald die Arbeiten auf der Streif abgeschlossen sind.

Herbert Hauser, Pistenchef Streif

„Würde der Ski in Bereichen wie der Ausfahrt Steilhang im weichen Schnee einsinken, wäre das absolut fatal.“

GANSLERNHANG

Start: 1.004 Meter
Ziel: 811 Meter
Streckenlänge: 590 Meter
durchschnittliche Neigung: 35 %
maximale Neigung: 70 %

Seit 1937 wird der Slalom in Kitzbühel am Ganslernhang gefahren. Goasweg, Steilhang, Querfahrt Hohen­egg, Stadei-Kurve und Talei: Das variantenreiche Gelände stellt große Herausforderungen an die Sportler – und ans Pistenteam.

Auf der schmalen Ideallinie talwärts: Anforderungen an die Pisten wachsen – Stefan Lindner und Herbert Hauser beweisen Gespür.

Foto: Stefan Zauner, alpinguin, K.S.C., WWP, WWP / Hans Bezard