Eine Frage der Temperatur
Wie dick diese Schicht ist, hängt vor allem davon ab, wie nah die Temperatur am Schmelzpunkt liegt. Sinkt sie unter –30 Grad, verschwindet der Flüssigkeitsfilm völlig. „Dann fühlt es sich in etwa so an, als würde man versuchen, auf Sand Ski zu fahren“, beschreibt Lörting. Im Umkehrschluss entsteht immer mehr Wasser, je näher man dem Schmelzpunkt kommt. Deswegen ist es für Wintersportprofis extrem wichtig, die Wetterbedingungen richtig einzuschätzen und die Ausrüstung so abzustimmen, dass die geringstmögliche Reibungskraft wirkt: „Wenn sich zu viel Wasser auf der Oberfläche bildet, kommt es zum gleichen Effekt wie beim Aquaplaning“, sagt er. Dann sammelt sich Wasser unter dem Ski und bremst. Geschieht das, müssen die Wintersportler dafür sorgen, dass die Flüssigkeit unter dem Ski weggeleitet wird. „Ist die Schicht sehr dünn, muss das Wasser stattdessen dort gehalten werden.“
Wachse für alles
Erreicht wird das vor allem durch den Einsatz verschiedener Wachse. Dabei stoßen hydrophobe Wachse Wasser ab. Zusätzlich hilft die Profilierung des Belags. Richtig kombiniert leiten sie Wasser von der Gleitfläche des Skis weg und eignen sich so für wärmere Bedingungen. Hydrophile Wachse ziehen dagegen Wasser an und halten es unter den Skiern, was ideal für kältere Temperaturen ist. Ein weiterer Faktor ist die Morphologie der Schneekristalle. Das hängt zum einen davon ab, ob der Schnee in einer Schneekanone oder natürlich entstanden ist, aber auch von verschiedensten weiteren Aspekten, wie der Luftfeuchtigkeit oder dem atmosphärischen Druck. „Deswegen ist auch der Schnee in Nordamerika anders als der in Europa“, sagt der Wissenschaftler. „Ist die Oberflächenstruktur eine andere, bildet sich auch der Film anders aus.“
Heiße Kanten
Hat ein Athlet einmal Fahrt aufgenommen, entsteht zudem Reibungswärme – bei den hohen Geschwindigkeiten im Profisport sogar in so beachtlichen Mengen, dass die Kanten der Skier regelrecht verbrennen können. Deswegen müssen die Profis auch genau wissen, in welchen Abschnitten der Piste Kanteneinsatz hilfreich ist und wo er bremst. „Je größer die Auflagefläche ist, desto weniger Wärme entsteht“, meint Lörting. „Dementsprechend gibt es Teilstücke, in denen auf den Einsatz von Kanten so weit wie möglich verzichtet werden muss, und andere, in denen man mit mehr Wärme für mehr Flüssigkeit und damit für einen optimalen Gleitfilm sorgen und Geschwindigkeit aufbauen kann.“
Spiel mit dem Schwerpunkt
So gelingt es Profis durch den richtigen Einsatz von Kanten und Gleitflächen, den Film in der richtigen Dicke aufrechtzuerhalten, Schussstücke optimal zu nutzen und auch in Kurven zu beschleunigen. „Der Rest ist vor allem eine Frage der Schwerpunktverlagerung und wie es gelingt, die Fliehkräfte zu nutzen und die Angriffsfläche für die Luft so klein wie möglich zu halten“, erklärt Lörting. „Wer die richtige Spur und Körperhaltung findet und den Anpressdruck optimiert, wird die besten Resultate erzielen.“