Der Hahnenkamm spielte in Ihrer Karriere immer wieder eine wichtige Rolle. Sie fuhren dort zum ersten Mal einen Top-10-Platz ein, hätten nach einer Verletzung 2017 dort eigentlich den Sieg holen sollen, sind dann aber im Netz gelandet. Sie erreichten viermal den zweiten Platz und gewannen das Rennen schlussendlich 2021 und 2022. Was bedeutet das Rennen für Sie?
Noch bevor man dort zum ersten Mal an den Start geht, ist Kitzbühel einfach ein Name mit Gewicht. Es ist das bekannteste und das spektakulärste Rennen. Als junger Skifahrer fährt man da hin und trägt dieses Wissen im Gepäck. Dann steht man zum ersten Mal oben am Start und denkt: ‚Wie soll das jetzt funktionieren?‘ So etwas hat man vorher noch nie erlebt. Dann fährt man hinunter und denkt sich: ‚Das ist schon cool.‘ Ich als Abfahrer denke das zumindest. Es ist anstrengend, aber cool.
Ich habe mich dann sehr schnell wohlgefühlt auf der Strecke. Meine Fähigkeiten kamen dort gut zum Vorschein. 2017 habe ich dann gedacht, dass der Sieg fällig ist. Ich habe selbst gespürt, dass ich der Beste am Berg war. Dann kam mein blöder Fehler und ich landete im Netz. Der Zufall wollte es dann so, dass ich vier zweite Plätze holen musste, bevor ich endlich triumphieren konnte.
Zweite Plätze sind auch gut. Die sind schön. Das will ich nicht schlechtreden. Nach zwei zweiten, oder spätestens nach drei, wollte ich aber mehr. 2021 und 2022, als es mir insgesamt dreimal gelang, war die Erleichterung schon groß.
Haben Sie je an den Streif-Fluch geglaubt? Oder anders gefragt: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie zum vierten Mal in Kitzbühel Silber geholt haben?
An einen Fluch habe ich nicht geglaubt, ich bin nicht abergläubisch. Ein paar Fluchwörter habe ich auf der Streif aber schon ausgepackt. Nicht unbedingt wegen der zweiten Plätze, sondern wegen der Stürze oder kleineren Fehler. Es war auch Pech im Spiel. 2019 hatte ich den Sieg angepeilt, beim Rennen kam dann aber Sonne ins Spiel und die Strecke veränderte sich. Ich konnte mich weniger gut als andere anpassen. Das hat mich natürlich geärgert. An einen Fluch in dem Sinne habe ich aber nie geglaubt. Ich konnte mir immer erklären, wo ich die Hundertstel verloren hatte, die mir später fehlen würden.
Was macht die Streif aus Ihrer Sicht aus?
Es gibt sicher anstrengendere Strecken. Rein körperlich gesehen. In Kitzbühel kommt aber vieles dazu: der Mythos, die Rennhierarchie – es ist das größte Rennen –, die Leute rundherum, das Unmittelbare: Der Bahnhof ist
200 Meter vom Ziel weg, das gibt es sonst nirgendwo. Wie das Rennen aufgebaut ist, oben der steile Teil, unten mit der Traverse. Es gibt so viele herausragende Athleten, die dort an ihre Grenzen stoßen. Also, es ist das höchste und das größte Rennen. Es ist aber körperlich nicht unbedingt das schwierigste Rennen.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an die Streif?
Als ich das erste Mal in Kitzbühel an den Start gegangen bin, sagte ich zu meinem damaligen Trainer, dass ich dieses Rennen irgendwann einmal gewinnen möchte. Er sprach mir Mut zu und meinte, dass er mir das schon zutrauen würde. Als ich dann 2020 tatsächlich gewann, war er nicht mehr mein Trainer. Aber das Erste, was ich tat, war ihm eine Nachricht zu schreiben. Daran erinnere ich mich immer gerne zurück.